Die Deutschlandpremiere in München
Ein Bericht von Ralf Eigl
Vorab sei gesagt, dass ich mir die Aufgabe, einen Bericht über die Premiere von Heimat 3 zu schreiben, leichter vorgestellt hatte. Letztlich ist man durch 2 mal 6 Stunden Intensiv-Programm zwar immens beeindruckt, jedoch benötigt man einige Tage, bis man zum einen erst einmal wieder in der Wirklichkeit und im Alltag angelangt ist – so sehr bleiben die Bilder und Szenen haften – und bis man zum anderen so weit ist, sich wirklich ein Urteil bilden zu können „wie es denn nun eigentlich war“.
Zunächst aber vielleicht ein paar Worte über das Rundherum bei der Premiere:
Was man sich erhofft hatte, traf auch wirklich ein: sie waren in großer Zahl gekommen, die Schauspieler aus den drei Heimat-Teilen. Mit Ausnahme von Matthias Kniesbeck (Anton) und Uwe Steimle (Gunnar) waren die Darsteller sämtlicher großer Rollen aus Heimat 3 vertreten. Aus Heimat 2 sah man Michael Seyfried (Ansgar), Frank Roth (Stefan) und Lazlo I. Kish (Reinhard), aus Heimat 1 Jörg Hube (Otto), Karin Rasenack (Lucie) und – sicher für alle eine ganz besonders große Freude – Marita Breuer, die ja mit der Maria das Herz der ganzen ersten Staffel darstellte. Zusammen mit Salomé Kammer, Henry Arnold, Heimat-Produzent Robert Busch und Edgar Reitz selbst hat man sie dort alle als sehr natürliche, völlig unaffektierte und nahbare Charaktere kennengelernt.
Zur Premiere gehörte am Sonntag Mittag die Präsentation des Buches Die Heimat Trilogie‘, das mit seinen 589 Seiten und über 2000 Abbildungen eine überaus eindrucksvolle Dokumentation aller drei Heimat-Teile darstellt. Das Buch selbst wurde von der Collection Rolf Heyne in hochwertigem, illustriertem Ganzleinen gebunden und auch mit einem Schuber versehen – der bei dem enormen Gewicht durchaus auch nötig ist. Es enthält wunderschöne Abbildungen, die allesamt in höchster Qualität widergegeben wurden. Angesichts dieser Ausstattung ließ sich ein Preis von EUR 128 wohl nicht vermeiden – eine Menge Geld, für das man aber auch eine Menge Buch (und vor allem natürlich Bild) erhält! Das großformatige Werk ist jeden Cent wert!
Teil der Buchpräsentation war ein Live-Auftritt von Salomé Kammer, Henry Arnold und Michael Riessler, die Lieder aus dem Film spielten. Sehr eindrucksvoll, wie hier Film und Wirklichkeit ineinander griffen.Michael Riessler komponierte einen Teil der Musik zu Heimat 3, der andere Teil stammt wieder von Nikos Mamangakis.
Leicht, über das Drumherum bei der Premiere zu erzählen! Aber wie war der Film selbst?In einem Satz zusammengefasst: Ja, Reitz hat es wieder geschafft, eine sehr eindrucksvolle Staffel zu schaffen, die einen völlig in den Bann zieht.
Ein paar kleine Einwände sollten angemerkt werden. Heimat 3 wirkt ein wenig uneinheitlicher als die beiden Vorgänger-Staffeln. Hatten wir bei Heimat 1 die Familie Simon und das kleine Dorf Schabbach als sehr engen, intimen Kreis, um den sich alles bewegte, und bei Heimat 2 Hermanns Freundeskreis als ebensosehr vertrauten Zirkel von Personen, ist es bei Heimat 3 schwieriger, diese Intimität zu finden. Die Personen sind einander teils wesentlich ferner und manchmal hat man ein wenig das Gefühl, der ein- oder andere gehöre nicht so recht zur Handlung dazu. Da wird auf der einen Seite natürlich die Geschichte der Familie Simon weitererzählt, Hermanns Brüder Ernst und Anton spielen beide noch wichtigere Rollen als in Heimat 1 und werden als Charaktere sehr eingehend und glaubhaft dargestellt – sowohl was das Drehbuch angeht als auch was die schauspielerische Leistung von Matthias Kniesbeck und Michael Kausch betrifft. Außerdem werden hier Antons Sohn Hartmut und Hermanns Tochter Lulu eine wichtige Rolle spielen. Auf der anderen Seite kommen die Handwerker aus dem Osten dazu, die für Hermann und Clarissa das Günderrode-Haus bauen – Gunnar, Tobi, Tillmann und Udo. Mit Galina aus Russland, die ein Verhältnis mit Hartmut hat, und Matko, dem Jungen, der als Ernsts Erbe in Frage kommt, erscheinen weitere Personen. Allesamt werden sie von Edgar Reitz für sich als glaubhafte Figuren dargestellt, nur sind die Bande mancher Figuren zur Simon-Familie teils ziemlich lose, das Ganze wirkt ein wenig uneinheitlicher und man fühlt sich in Heimat 3 nicht so leicht zu Hause. Dass (fast) alle dann am Schluss zum Silvesterfest zusammenkommen ist zwar ein kluger Zug, mit dem die Fäden noch einmal verknüpft werden, der aber nicht ganz natürlich wirkt.
Edgar Reitz (Vordergrund) mit den Schauspielern und Team von Heimat 3 auf der Bühne.
Bevor jedoch ein falscher Eindruck entsteht: In Heimat 3 wird die Geschichte der Familie Simon auf sehr ergreifende Weise weitererzählt und dem Sog, den man bei Heimat 1 und 2 verspürte kann man sich auch hier kaum entziehen. Auch fehlt es dem Film ganz sicher nicht an Dramatik, so viel sei verraten! Die ist zumeist durchaus angebracht und klug eingesetzt, nur in einer Sequenz droht sie zum Klischee zu geraten.
Neben den schauspielerischen Leistungen des bereits oben erwähnten Matthias Kniesbeck (Anton) und des Michael Kausch (Ernst) sei auch die von Uwe Steimle erwähnt, der den Gunnar sehr überzeugend gibt! Bei Henry Arnold hatte man das Gefühl, er habe sich in die Rolle des alternden Hermann erst hineinfinden müssen, er gewinnt aber von Folge zu Folge an Glaubwürdigkeit. Das mag auch daran liegen, dass man ihm und Clarissa im ersten Film vereinzelt etwas pathetische Sätze in den Mund legte, die ein- oder andere Szene wirkte hier ein wenig überzogen, jedoch spreche ich hier von wenigen, kurzen Sequenzen.
Vielleicht noch ein paar Bemerkungen am Rande: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern gibt es bei Heimat 3 auch einige Stellen, an denen man herzlich lachen kann – mag sein, dass hier Drehbuchteile von Thomas Brussig zum tragen kommen. Inwiefern dies ins Gesamtbild der Produktion passt, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Und am Schluss noch ein Wort zur Musik: Das alte Titelthema ist zwar noch vorhanden, jedoch in einer verkürzten, veränderten und nicht mehr so dramatischen Variante. Ich hätte mir eine deutlichere Anlehnung an die beiden alten Varianten gewünscht. Die Hintergrundmusik von Mamangakis ist nicht mehr ganz so stark, wie sie es früher war. Vielleicht stammt deshalb ab Folge 4 die Musik zum überwiegenden Teil vom oben schon erwähnten Saxofonisten Michael Riessler. Sie hat einen etwas anderen Charakter, fügt sich aber der Dramatik gut ein.
Ein paar Kritikpunkte, ja, aber 12 Stunden Film bieten natürlich auch eine riesige Angriffsfläche! Und deshalb würde ich für mich selbst zusammenfassend sagen: Ich denke, wir haben nicht umsonst so lange gebangt und gewartet, Edgar Reitz hat uns nicht enttäuscht, Heimat 3 hat mich durchaus gepackt und mitgerissen und denjenigen, die der Erstausstrahlung entgegenfiebern, sei gesagt: genießt die Vorfreude, es lohnt sich zu warten!
Ralf Eigl